Einleitung

Am 9. September 2015 erschien auf www.queer.de ein offener Brief seitens des Bundesinteressenverbands schwuler Senioren (BISS e.V.) bezüglich eines Dokuments vom CSD Deutschland e.V., in dem ein Arbeitskreis, der sich in dem Verein gebildet hat, vorschlägt, den – oft in den Medien und von den Besorgen Eltern genutzten – Begriff „sexuelle Vielfalt“ durch „menschliche Vielfalt“ in der eigenen Kommunikation zu ersetzen.

Hintergrund

Im November 2014 wurde auf dem Bundesvernetzungstreffen der deutschen CSD Veranstalter-innen in Dresden ein Arbeitskreis (Holger Edmaier vom Projekt 100% Mensch, Peter Steinhoff vom CSD Münster e.V. und Marc-Pierre Hoeft vom CSD Deutschland e.V.) gebildet, der sich mit dem in den Medien mehrfach diskutierten Begriff „sexuelle Vielfalt“ beschäftigen sollte. Ausgangspunkt war die öffentliche Diskussion um die Integration von LGBT-Themen in den Bildungsplan einzelner Bundesländer.

Die Arbeitskreis-Teilnehmer haben festgestellt, dass in dieser Diskussion immer wieder zwei Themen miteinander vermischt werden:

Zum einen geht es um die Integration von LGBT-Lebensformen in den Schulunterricht. Warum darf es z.B. im Mathematikunterricht nicht auch mal die Hochzeitstorte von Paul und Peter oder von Simone und Sabine sein, die in mehrere Stücke geschnitten wird?
Zum anderen geht es um die Aufklärung über sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identitäten.

Um diese beiden Themen stärker voneinander zu trennen und somit auch kommunikativ deutlich zu machen, dass es keineswegs um die Frühsexualisierung von Kindern geht, hat der Arbeitskreis erste überlegungen festgehalten, wie zusätzliche Begrifflichkeiten hier hilfreich sein können. Wenn es um die Integration von LGBT-Lebensformen in den Schulunterricht geht, könnte „menschliche Vielfalt“ eine von vielen Möglichkeiten sein. Es war und ist auch heute somit kein Bestreben des Arbeitskreises, dass die Begrifflichkeit zur „sexuellen Vielfalt“ ersetzt oder abgeschwächt wird. „Sexuelle Vielfalt“ soll zukünftig ein Bestandteil des Aufklärungsunterrichts sein; diese Forderung teilen auch der CSD Deutschland e.V. sowie der Arbeitskreis.

Seine ersten überlegungen hat der Arbeitskreis dann beim Bundesvernetzungstreffen– dieses Mal in Mannheim – im Februar 2015 vorgestellt. Nach der Aufnahme des Feedbacks wurde beschlossen, dass es hilfreich sein könne, die Thematik auch mit weiteren LGBT-Organisationen zu besprechen. Auch wenn es sich um ein Mammut-Projekt handele und es schlichtweg unmöglich sein wird, eine Begrifflichkeit zu finden, mit der alle 100% zufrieden sind, lohne es sich jedoch, mehrere Rückmeldungen einzuholen, den Arbeitskreis ggfs. zu ergänzen und somit einen weiteren Vorschlag zu erarbeiten, der die Meinung und überlegungen mehrerer abbildet.

Der Arbeitskreis hat dies auch in die Tat umgesetzt. Parallel wurde der bestehende Vorschlag auf der Website des CSD Deutschland e.V. zum Download bereitgestellt. Einleitend ist auf dem Dokument vermerkt, dass es sich um einen Diskussionsbeitrag handelt. Da jedoch der Eindruck entstehen mochte, dass es sich hierbei um eine bereits von den Mitgliedern des Vereins angestrebte Begrifflichkeit handeln könne und nicht um das erste Ergebnis eines Arbeitskreises, wurde der Vorschlag aus dem Download-Bereich entfernt. Angestrebt wurden die weitere überarbeitung des Papiers sowie der Austausch mit anderen Organisationen. Aus technischen Gründen konnte das Dokument dennoch auf der Website herunter geladen werden; insofern der ursprüngliche Downloadlink vorhanden war.

CSD Deutschland e.V.• c/o Marc-Pierre Hoeft • Torstraße 113 • 10119 Berlin Amtsgericht Berlin-Charlottenburg VR 23571 B

Stellungnahme

An dieser Stelle möchten der Vorstand und auch der Arbeitskreis zu diesem Thema Stellung beziehen:

Es handelt sich bei dem Vorschlag „menschliche Vielfalt“ weder um einen verabschiedeten Begriff noch um ein finales Dokument. Es ist nach wie vor ein Arbeitspapier, auf deren Basis weiter gearbeitet wird – auch mit der Möglichkeit, dass ein vollkommen anderes Ergebnis erzielt und ggfs. verabschiedet wird.

Auf dem Weg des Austausches und der Diskussion scheint
unglücklicherweise – trotz Kennzeichnung – die Information verloren
gegangen zu sein, dass es sich um ein Arbeitspapier handelt. Dennoch begrüßen wir die Stellungnahme und somit auch das konkrete Feedback der Bundesinteressensvertretung schwuler Senioren (BISS e,V,). Die Reaktionen und auch die Berichterstattung hierzu zeigen uns, dass es tatsächlich Austausch- und Klärungsbedarf gibt. Auch die Umfrageergebnisse auf queer.de zu diesem Thema zeigen, wie differenziert die Meinungen sind und dass es hilfreich und sinnvoll ist, sich gegenseitig auszutauschen.

Mit der aktuellen Berichterstattung ist unser Arbeitspapier längst kein internes Dokument mehr. Aus diesem Grund haben wir uns dazu entschlossen, das Arbeitspapier mit bisheriger Kennzeichnung „Diskussionsbeitrag“ erneut online zu stellen und laden andere Vereine und Organisationen dazu ein, mit uns gemeinsam zu überlegen, ob eine weitere Begrifflichkeit von Nutzen sein kann, wenn „sexuelle Vielfalt“ in Bildungsplänen diskutiert wird. Dies kann und darf natürlich auch gern direkt mit uns erfolgen und muss nicht zwangsläufig über offene Briefe erfolgen. Die Diskussion um die Begrifflichkeit hat jedoch nun einen frischen Aufwind erhalten, den wir direkt nutzen möchten. über ein dann finales Resultat informieren wir – im Namen aller Mitwirkenden – gern. Wir sind uns darüber bewusst, dass hier noch ein Stück Arbeit vor uns liegt; es ist aber ein von uns willkommener Austausch über die eigenen Vereinsgrenzen hinaus. Wir glauben daran, dass dies auch ein Anstoß sein kann, sich noch stärker innerhalb der LGBT-Community miteinander zu vernetzen und uns alle dazu motiviert, zukünftig gemeinsame Lösungsvorschläge zu entwickeln.