Wenn Hass (uns) tötet
2021 war trotz Corona und der damit einhergehenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens ein Jahr, in dem die Anzahl queerfeindlicher Straftaten auf 1051 gestiegen ist. Das geht aus einer Anfrage hervor, welche die Abgeordnete Ulle Schauws (queerpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen) an das Innenministerium gestellt hat.
Ein Anlass, der uns vor allem dieser Tage daran erinnert, welches Ausmaß an Gewalt LGBTIQ* immer noch oder auch wieder entgegenschlägt. Denn tatsächlich schien die Situation schon einmal besser zu sein. Weltweit und in unserem Land.
Das die Einschränkung unserer Menschenrechte in Ungarn weiter voranschreitet, mag vielleicht nicht überraschen. Viktor Orban geht gegen alle vor, die nicht für ihn sind. Da kommen ihm LGBTIQ* als Feindbild gerade recht. Doch auch im Land der Freien den USA, geht selbst nach der Präsidentschaft Trump der Feldzug gegen uns weiter. Dabei ist es erstaunlich, welche Angst bestimmte gesellschaftliche Kreise vor LGBTIQ* haben. Denn selbst die Nennung der Tatsache, dass es eben Trans* gibt, wird nun in Florida in einigen Schulstufen verboten. Doch Angst erscheint als zu schwaches Wort.
Diese Art der Gesetzgebung ist ein Akt der Gewalt. Damit wird uns das Existenzrecht abgesprochen. Denn es ist das gleiche, ob nicht mehr erwähnt werden darf, dass es eben mehr als nur Mann und Frau gibt oder als wenn man nicht mehr darüber reden darf, dass Regen nass ist. Es ist das Verbot offensichtlicher Tatsachen. Es ist damit die aktive Ausgrenzung und ein klarer Fall von Unterdrückung. Diese Art Gesetzgebung, diese Art zu denken und über uns zu sprechen, führt am Ende unweigerlich weiter. Verbaler Gewalt folgt über kurz oder lang immer auch körperliche Gewalt. Seit die AfD ihren Aufschwung hatte und sich in einigen Parlamenten befindet, nutzen viele derer Vertreter*innen dies zur Hetze und verbaler Gewalt gegen LGBTIQ*. Ob es die Aufforderung ist, uns zu zählen und zu registrieren, oder uns unsere Menschenrechte abzusprechen. Zwar konnte mehr als die Hälfte der 2021 registrierten Straftaten nicht eindeutig ideologisch zugeordnet werden, doch da, wo dies geschehen konnte, wurden 84% als rechtsmotiviert eingestuft.
Und wir müssen nicht weit ins Ausland schauen, wir können dies direkt in Deutschland beobachten und verschiedene traurige Erlebnisse als Zeitzeugen anführen. So kam es in Baden-Württemberg wiederholt zur Verbrennung von Regenbogenfahnen. In Stuttgart wurden wiederholt Regenbogenfahnen verbrannt. Sogar von einem hohen Fahnenmast wurde diese herunter geholt, um sie zu verbrennen. In Dresden wurde eine LGBTIQ*-Bar wiederholt Opfer von Übergriffen, Schmierereien und Steinwürfen. Selbst im Pandemiejahr 2020, mit seinen deutlichen Einschränkungen an Veranstaltungen und normaler Gastronomie verzeichnet das Berliner Anti-Gewaltprojekt Maneo mehr als 500 queer-feindliche Übergriffe alleine in der Hauptstadt. Nur ein geringer Rückgang zu 2019. Dabei kann selbst dieses Projekt nur zählen, wer sich traut, sich als LGBTIQ* zu outen und die Gewalt anzuzeigen.
Es braucht auch weiterhin und noch stärker als bisher nationale Aktionspläne. Nicht nur in einzelnen Bundesländern, sondern auch als übergreifenden Aktionsplan des Bundes. Ein Schritt ist mit der Ernennung eines queeren Beauftragten getan. Doch es braucht auch verpflichtende Aus- und Fortbildungen im Bereich der Polizei. LGBTIQ*- Ansprechpersonen gibt es bei den Polizeibehörden noch lange nicht flächendeckend und verbindlich. Sensibilität für die Taten, für den Umgang damit und die richtigen Fragestellungen sind ebenfalls ausbaufähig.
Verbale Hetze bereitet den Boden, auf dem Übergriffe zuerst gegen Gebäude und Gegenstände und schließlich gegen Menschen gedeihen. Am Ende bleibt: Hass tötet.