Das schwierige Verhältnis von LGBTIQ* mit der Polizei.

„Polizist*innen weg von den Prides!“, „Keine Menschen in Uniform bei, neben oder in den CSD-Demonstrationen!“ „No Cops @ Pride!“ 

Immer öfter hören die Organisierenden von CSDs diese Forderungen. Hier und da erheben sie sie sogar selbst im Team. Das ganze treibt derartige Auswüchse, dass es Aufrufe gibt, man würde Polizist*innen die Teilnahme an den Demonstrationen verbieten. Egal ob in Uniform oder ohne.

Die Polizei und die Prides, das scheint ein schwieriges Verhältnis zu sein. Sehr oft hören wir dabei das Argument: „Stonewall was a riot“, also ein Aufstand. Ein Aufstand findet per se immer gegen die herrschende Klasse statt und diese wird im Regelfall durch die Sicherheitsbehörden, also die Polizei vertreten. Denn die Polizei ist für die Durchsetzung geltenden Rechts verantwortlich. 

Nun war also der Auslöser 1969 in der Christopher Street, dass die LGBTIQ* genug hatten von den Schikanen, Razzien und so weiter. Der berühmte Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte, war eine erneute Polizeirazzia. Eine, wie sie in den 1960er Jahren in New York oft stattfanden und oft waren sie von aggressivem Vorgehen der Polizeibeamten geprägt. Doch diesmal ließen sich die Besucher*innen der Bar dies nicht länger gefallen. Sie setzen sich zur Wehr. Das Ergebnis war beeindruckend. Denn aus diesem Widerstand heraus entstand eine bis heute anhaltende globale Bewegung. Eben die Pride-Bewegung, in Deutschland Christopher-Street-Day genannt. 

Wenn dieses Ereignis bis heute als Argument genutzt wird, die Polizei pauschal abzulehnen und sie von CSDs in Deutschland zu verbannen, dann macht uns daran sehr vieles stutzig. Da ist zuerst, dass die Polizeibehörden zweier Länder 1:1 zu vergleichen und aus dem Verhalten in Land 1 Forderungen für Land 2 abzuleiten, schon sehr an den Äpfel-Birnen-vergleich erinnert. 

Dann verkennt die Argumentation völlig, dass die Polizist*innen eben Ausführungsorgan der herrschenden Gesetze und Gesetzgebenden sind. 

Andererseits ist es ja gerade unser Bestreben, dass sich Verhältnisse verändern. Daher war 1969 auch ein Wendepunkt. Dort entstand eine weltweite Bewegung, die eben zu diesen Veränderungen geführt hat. Stonewall was a riot. It Was! Doch das muss es heute nicht mehr sein. In Deutschland haben wir es geschafft, dass sich die rechtliche Situation für LGBTIQ* deutlich verbessert hat. Die Polizei, die eben vor 30, 40, 70, 100 Jahren noch Gesetze gegen uns durchsetze, ist nun gefordert, uns zu schützen. 

Ist damit alles gut? Natürlich nicht. Die Polizei ist genauso gut oder schlecht, wie die ganze Gesellschaft. Sind LGBTIQ+-feindliche Einstellungen noch in der Gesellschaft präsent? Definitiv! Also sind sie es auch bei der Polizei. Sind sie dort überrepräsentiert? Keine Ahnung. Denn dazu fehlte jede aussagekräftige Untersuchung. Doch jede Organisation zieht eben Menschen an, die sich in ihr die Erfüllung ihrer Werte versprechen. Das diese Werte bei Polizist*innen pauschal in der Schikane anderer liegen, bezweifeln wir jedoch. 

Allerdings: der gesetzliche Rahmen schafft eben auch die Möglichkeiten, dass wir das nicht hinnehmen müssen, wenn es so ist. Daran arbeiten wir auch als CSDs. Wir sprechen Fehlverhalten an, wir tauschen uns mit der Polizei aus, wir fordern Verbesserungen in Aus- und Fortbildungen. Da die Polizei in Deutschland jedoch förderal organisiert ist, ist dies ein langwieriger Prozess. Jedoch ein Prozess, der Früchte trägt. Immer mehr Stellen richten LGBTIQ*-Ansprechpersonen ein. Ein wichtiger Beitrag, für Sensibilität im Umgang mit queerfeindlicher Gewalt. Das es den braucht, dass zeigt das Jahr 2022 leider nur zu gut. Denn queerfeindliche Gewalt scheint rapide zuzunehmen oder eben sichtbarer zu werden. Münster, Bremen, Dortmund, Karlsruhe, Augsburg, Köln. Bei diesen Prides gab es mittlerweile bestätigte queerfeindliche Gewalt und durchaus auch verbesserungswürdige Reaktionen der Polizei. 

Das gilt es aufzuarbeiten und daraus gilt es Maßnahmen abzuleiten. Queerfeindliche Gewalt wird eben noch viel zu oft nicht als solche erkannt.

Doch Polizist*innen von Prides ausschließen?

Nein! Der CSD Deutschland bezieht hier ganz eindeutig Position. Einerseits sind Demonstrationen dieser Größenordnung ohne Unterstützung durch die Polizei gar nicht zu stemmen. Auflagen macht übrigens auch nicht die Polizei, Auflagen machen die Verwaltungen. Die Polizei hilft den Demonstrationsleitungen, die Demonstration sicher und störungsfrei ablaufen zu lassen. Etwas, dass uns alle ja auch immer ärgert, wenn die Demonstrationen rechter Gruppierungen eben auch geschützt werden.

Andererseits gibt es eben in den Reihen der Polizei selbst jede Menge queerer Menschen. Nicht alle sind in VelsPol, dem Verein lesbischer und schwuler Polizist*innen, zusammengeschlossen. Doch eben diese wollen auch für ihre Gleichberechtigung und den Abbau von Vorurteilen an den Prides teilnehmen. Forderungen, diese Menschen vom CSD auszuschließen, sind so abstrus, wie sie sich anhören.

Die oben genannten Aussagen scheinen eben weniger damit zu tun zu haben, dass es den Verfasser*innen um die Rechte von LGBTIQ+ geht. Sondern vielmehr mit einer grundsätzlich ablehnenden Haltung gegenüber der Institution Polizei. Das ist deren gutes Recht. Doch dann soll es auch so benannt werden und nicht die eine Sache für die andere missbraucht werden. 

Denn gruppenbezogene Diskriminierung – genau dagegen haben sich LGBTIQ+ 1969 in der Christopher Street zur Wehr gesetzt. Stonewall was a riot. Doch wer an der Vergangenheit festhält, wird niemals eine neue Zukunft gestalten können.

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