Schlechtes Signal für queere Menschen: Die aktuellen Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU/CSU zeigen, dass wichtige Forderungen für schwule, lesbische, bi- und transsexuelle Menschen erneut auf der Strecke zu bleiben drohen. Insbesondere die Haltung der Union setzt hier ein besorgniserregendes Zeichen.

Die folgenden Informationen stammen aus einer Übersicht von FragDenStaat. Dabei sind Forderungen, bei denen es keine Einigung gab, farblich markiert: Rote Forderungen werden von der Union abgelehnt, blaue Forderungen werden von der SPD abgelehnt.

Keine Reform des Grundgesetzes?

e. GGReformen (Art. 3 GG, Kinderrechte ins GG): Wir wollen den Gleichbehandlungsartikel des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3 GG) um ein Verbot der Diskriminierung gegen die sexuelle Orientierung [und geschlechtliche Identität] ergänzen und Kinderrechte im Grundgesetz verankern.

(Quelle: FragDenStaat, https://fragdenstaat.de/dokumente/258013-koalitionsverhandlungen-cdu-csu-spd-ag-1-innen-recht-migration-und-integration/, Seite 11)

Die CDU/CSU verweigert in den Verhandlungen zentrale Reformen, darunter die dringend notwendige Ergänzung von Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes um das Diskriminierungsverbot aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität. Diese Ergänzung wäre nicht nur symbolisch bedeutend, sondern auch historisch überfällig: Queere Menschen bilden die letzte größere Gruppe, die während des Nationalsozialismus spezifisch verfolgt wurde, und sind bis heute vielfach Ziel von Diskriminierung und Gewalt. Laut einer Studie des Bundesinnenministeriums wurden im Jahr 2022 allein 1.005 Fälle von Hasskriminalität gegen queere Menschen offiziell registriert – die Dunkelziffer dürfte jedoch weitaus höher liegen.

Mögliche Abschaffung des Selbstbestimmungsgesetzes?

Selbstbestimmungsgesetz
Forderung CDU/CSU: Abschaffung des Selbstbestimmungsgesetzes in der geltenden Fassung

(Quelle: FragDenStaat, https://fragdenstaat.de/dokumente/258025-koalitionsverhandlungen-cdu-csu-spd-ag-7-familie-frauen-jugend-senioren-und-demokratie/, Seite 7)

Ein weiterer kritischer Punkt ist die Haltung der Union zum Selbstbestimmungsgesetz. Während die SPD betont, dieses Gesetz sei unverzichtbar, um Diskriminierung wirksam entgegenzutreten und queere Menschen besser zu schützen, fordert die CDU/CSU dessen ersatzlose Abschaffung. Eine Abschaffung des Gesetzes würde für viele trans* Personen bedeuten, dass sie rechtlich und gesellschaftlich unsichtbar bleiben, ihre Identitäten nicht anerkannt und Transitionen faktisch verhindert würden.

Ende des Aktionsplans “Queer leben”?

SPD : [Verantwortung und Vielfalt gehören für uns zusammen. Wir führen den ressortübergreifenden Nationalen AktionsplanQueer leben“ für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt mit der Zivilgesellschaft fort, um die Lebensrealität queerer Menschen und Familien besser zu berücksichtigen. Wir schützen queeres Leben noch besser vor Diskriminierung.]
CDU/CSU : Ablehnung des Vorschlags; Thema wurde in der AG nicht besprochen.

(Quelle: FragDenStaat, https://fragdenstaat.de/dokumente/258025-koalitionsverhandlungen-cdu-csu-spd-ag-7-familie-frauen-jugend-senioren-und-demokratie/, Seite 7)

Das bestehende Programm „Aktionsplan Queer leben“ des Bundesfamilienministeriums bekämpft derzeit effektiv Hassgewalt, Hate Speech und rechtliche Barrieren. Dass die Union in den Koalitionsverhandlungen keinen Wert auf den Fortbestand dieses Plans legt, gefährdet queere Menschen zusätzlich. Gerade die durch Hassverbrechen und Diskriminierung entstehende Belastung queerer Menschen macht spezifische Maßnahmen unverzichtbar: Laut einer EU-Studie erfahren rund 47% der queeren Menschen Diskriminierung im Alltag.

Rückschritte in der HIV-Prävention?

Medizinische Vorsorge, Behandlung und Forschung gestalten wir geschlechts- und diversitätssensibel aus und berücksichtigen dabei die speziellen Bedürfnisse in jedem Lebensabschnitt aller Geschlechter, z.B. Wechseljahre, Endometriose, Brust- und Prostatakrebs. Zugang zur Grundversorgung insbesondere in der Gynäkologie sichern wir flächendeckend. Bei der Kinderwunschbehandlung muss die anteilige Eigenfinanzierung der künstlichen Befruchtung für Betroffene angemessen und verlässlich sein. [Die gesundheitlichen Belange der queeren Community müssen besonders berücksichtigt werden].

(Quelle: FragDenStaat, https://fragdenstaat.de/dokumente/258022-koalitionsverhandlungen-cdu-csu-spd-ag-6-gesundheit-und-pflege/, Seite 5)

Die gesundheitlichen Belange der queeren Community müssen ebenfalls stärker berücksichtigt werden, gerade auch hinsichtlich lebenswichtiger Maßnahmen wie HIV-Prävention und dem breiteren Zugang zu PrEP. Dass die Union eine Aufnahme dieser Themen in den Koalitionsvertrag ablehnt, gefährdet aktiv die Gesundheit und das Leben vieler queerer Menschen. Diese Blockadehaltung verhindert nicht nur dringend benötigte Aufklärungs- und Präventionsprogramme, sondern erschwert auch den Kampf gegen HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen.

Fazit: Queers sehen vielleicht schwarz-rot

Es ist wichtig, klarzustellen: Nicht-queere Menschen verlieren absolut gar nichts, wenn queere Rechte ausdrücklich geschützt werden. Es geht schlichtweg um Gerechtigkeit und Gleichbehandlung – nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen. Konservatismus bedeutet nicht automatisch Rückschritt oder Hass. Queere Rechte zu stärken, ist kein Verlust, sondern ein Gewinn für eine demokratische, moderne und offene Gesellschaft.

Die neue Bundesregierung muss sich jetzt klar zu unseren Forderungen positionieren: Queere Rechte und queerer Schutz dürfen keine Verhandlungsmasse sein. Queere Räume und Beratungsstrukturen brauchen nachhaltige Finanzierung und Unterstützung. All das ist nötig, um tatsächliche Gleichstellung und Schutz zu gewährleisten.