Sehr geehrter Herr Merz, 

als Vorsitzender der CDU nehmen Sie für sich in Anspruch, auch das Kanzleramt zu können. Ihre Partei liegt in den Umfragen außerdem weiterhin als stärkste Kraft vorne. Daher möchten wir Sie in diesem Jahr auch explizit an eine Pflicht erinnern. Eine Pflicht, die Ihnen doch selbst und als Partei laut ihrem Programm am Herzen liegt: Nämlich die Sicherheit der Bürger*innen dieses Landes zu gewährleisten. Zu diesen Bürger*innen gehören auch wir. Als LGBTIQ* sind wir ebenso Wähler*innen, Mütter und Väter, Geschwister, Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen, Steuerzahler*innen und vor allem Menschen. Manche von uns stehen ihrer Partei nah, andere sind ihr fern. 

Doch mit dem Anspruch als Volkspartei formulieren Sie den Anspruch, für alle Menschen dieses Landes zu sprechen. 

Eines Ihrer Kernthemen ist – gemäß ihrer Webseite – die innere Sicherheit. Dort formulieren Sie den Anspruch, dass alle Bürger*innen dieses Staates in Deutschland frei und sicher leben können und zwar „ob zu Hause, auf Straßen und Plätzen, bei Tag und Nacht.“

Daher ist unsere Sicherheit auch Ihre Aufgabe. 

Doch wir fühlen uns zunehmend unsicher in diesem Land. Die Zahl von gewalttätigen Übergriffen auf LGBTIQ* steigt kontinuierlich. In Mecklenburg-Vorpommern, in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt erleben wir klar rechtsradikale Angriffe mit eindeutigem Bezug auf die nationalsozialistische Ideologie. Also auf die Zeit, die unserem Land soviel Leid gebracht hat. Hakenkreuze, die anstelle von Regenbögen angebracht werden. Verbale und auch handgreifliche Gewalt selbst am Rande von CSD-Demonstrationen.

Beides konnten sie am vergangenen Wochenende in Halle leider wieder beobachten. 

Die Agitatoren sitzen dabei in den Parlamenten neben ihren Abgeordneten. Es sind die Mitglieder der AfD, welche die Grenzen dessen, was gesagt und danach auch getan wird, fortlaufend nach rechts verschieben. Hier fordern wir Sie auf: Halten Sie klar dagegen! Das auf Worte Taten folgen, das sollten wir alle und auch Sie aus dem Dritten Reich gelernt haben. Franz von Papen hat als Politiker des Zentrums mit dem Feuer gespielt. Ein Feuer, das Europa und Deutschland verschlungen hat. Widerstehen Sie dieser Verlockung und halten Sie Wort. Unsere Sicherheit ist auch Ihre Aufgabe. Als Vorsitzender der größten Partei und als Demokrat. Als Vertreter eines Programms, was Sicherheit verspricht. 

Zeigen sie klare Kante gegen queerfeindliche Gewalt! 

Ihr Kompass sei das christliche Menschenbild, so formulieren Sie es. Wenn wir da richtig liegen, basiert dieses auf Nächstenliebe. Ebenso, wie es auf unbedingter Würde gründet. Der Mensch ist von Gott mit Freiheit und individuellen Fähigkeiten ausgestattet. Vor allem bedeutet es, dass jeder Mensch gewollt und schützenswert ist. 

Daher sind auch wir als Minderheit offenbar genau so von Gott gewollt. Schützen Sie unsere Würde. Zeigen Sie dies zum Beispiel auch damit, dass Sie uns den vollen Schutz des Grundgesetzes ermöglichen. Wir fordern Sie und die CDU-Fraktion im Bundestag auf, mit der Regierungskoalition die Ergänzung von Artikel 3 des Grundgesetzes dahingehend zu vereinbaren, dass hier auch die sexuelle Orientierung als explizites Schutzmerkmal aufgenommen wird.

Herr Merz, es ist auch ihre Aufgabe und die ihrer Partei, uns zu schützen! 


Die Stärke einer Demokratie und ihrer Vertreter*innen zeigt sich vor allem darin, wie sehr sie darum bemüht ist, die Individualität ihrer Mitglieder zu respektieren und zu schützen. 

Ihr

CSD Deutschland e.V.