Das Jahr 2025 war ein ganz besonderes Jahr für unsere Pride-Bewegung. Auf der einen Seite gab es am Ende tatsächlich 245 CSDs! Diese Zahl darf ruhig erst einmal wirken.
245 CSDs.
Setzen wir das ins Verhältnis zu 80 Großstädten in Deutschland, dann ist die deutsche Pride-Bewegung in der Fläche mehr als angekommen. Denn es sind keineswegs die Demonstrationen in den größten Zentren wie Berlin, Köln, Hamburg, Dresden, München oder Stuttgart, die die meiste Wirkung erzielen. Es sind vor allem die vielen kleinen Prides in Kleinstädten, Gemeinden und auf dem Land, die ermutigt von den großen Prides stattfinden. Dort, wo die Bevölkerung queeres Leben noch als Phänomen der Großstädte brandmarken konnte. Dort sind wir angekommen. Denn sehr viele engagierte queere Menschen wollen genau dort, wo sie zu Hause sind, so leben können, wie sie sind.
Sie haben es satt, sich zu verstecken. Sie sind es leid, diesen wesentlichen Teil ihrer selbst nur in fernen Großstädten in der Anonymität zeigen und leben zu können.
Doch dafür bezahlen diese Engagierten auch immer mehr einen hohen Preis. Anfeindungen, Bedrohungen, gewalttätige An- und Übergriffe. Denn bei ca. 111 CSDs kam es zu dokumentierten Störungen durch Rechtsextreme (Quelle Antonio-Amadeu-Stiftung).
Diese Störungen bestanden aus Gegendemonstrationen, aus verbalen und auch körperlichen Angriffen. Wer nun nur an baseballschlägerschwingende Skinheads denkt – wie sie ein Vielfaltsfest in Bad Freienwalde überfallen haben – irrt jedoch. Die Neonazis 2.0 kleiden sich durchaus im Anzug und tragen sorgsam gescheiteltes Haar. Die Störungen beginnen außerdem bereits in Verwaltungen, Stadt- und Gemeinderäten, Kreistagen und Landtagen. Sie finden immer mehr auch auf bürokratischer Ebene statt. Bei Finanzierungen aus Demokratieprojekten und durch in Frage stellen der Rechtmäßigkeit unserer Demonstrationen. Doch auch die brutale Fratze der Gewalt zeigte sich wieder immer mehr. Den sprachlichen Eisbrechern der AfD und den Entgleisungen selbst unseres Kanzlers folgt am Ende die Gewalt auf der Straße.
Meistens erfolgten diese Angriffe auf dem Heimweg von CSD-Teilnehmenden. Auf Wegen und zu Zeiten, bei denen die Polizei kaum noch schützend aktiv sein kann.
Doch eines möchten wir hier betonen. Nach dem unfassbaren Vorfall von Bautzen im letzten Jahr, hat die Polizei dazugelernt. Sie schützt unsere Demonstrationen besser. Sie verteidigt unser Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Auch und gerade dort, wo es auf so vielen Ebenen angegriffen wird.
So wie 245 CSDs eine fantastische Zahl sind, so sind die 111 Störungen erschreckend. Hier ist es eben nicht mehr nur eine kleine Zahl von Neonazis, ewig gestrigen und Neu-Faschisten, die in den schon üblichen Gegenden gegen queere Menschen vorgehen. Es ist ein landesweites Phänomen. Bis hin zum gewaltvollen Übergriff in Leer in Ostfriesland, bei dem sich noch etwas beängstigendes zeigte: das Ausüben von Gewalt, um Material für soziale Netzwerke zu produzieren.
Dahinter steckt eine Strategie
Die Gegenangriffe sind dabei keineswegs zufällige Ereignisse. Es handelt sich um Bestandteile eines strategischen Planes. Seit vielen Jahren wird der Vormarsch rechter und rechtsextremer Kräfte geplant. Die Heritage Foundation spielt hier eine wesentliche Rolle. Genau die Organisation, mit der auch Akteure der CDU Kontakt hatten.
Eine Strategie, die auf Angriffe auf die Schwächsten der Gesellschaft ausgerichtet ist, um die Mitte der Bevölkerung mehr und mehr zu beeinflussen. Die Kampagnen gegen trans*Personen, gegen Migrant:innen und gegen arme Menschen initiiert.
Queere Menschen eignen sich seit Jahrhunderten als Feindbild. Viele Religionen haben hier solide Fundamente gelegt. Wenn wir uns als queere Menschen gegen diese Gewalt wehren, werden wir mittlerweile zusätzlich diffamiert und kriminalisiert.
Doch wir bleiben standhaft und laut. Wir haken uns unter. Auch und gerade mit den Kräften im konservativen und kirchlichen Lager, die für eine offene und menschenfreundliche Gesellschaft eintreten. Mit Faschisten diskutiert man nicht. Man tritt ihnen offen entgegen.
Das wollen wir auch weiterhin tun. Als queere Community in all unserer Vielfalt. Als Demokraten und letztlich als Menschen.
Erhebe auch du mehr als nur deine Stimme. Mach mit bei einem der 245 CSDs. Engagiere dich im Orgateam oder helfe am Demonstrationstag mit. Denn Demokratie, die Akzeptanz der Vielfalt der Menschen und Identitäten ist etwas, das Tag für Tag erarbeitet und verteidigt werden muss. Keinesfalls kommt es frei Haus geliefert.