Wähl Liebe! Mehr als Hunderttausend Menschen in mehr als 50 Städten demonstrieren am 15.02. für Zusammenhalt, Demokratie und die Gleichberechtigung queerer Menschen. 

Die deutsche CSD-Bewegung blickt mit anhaltender Sorge auf die derzeitige politische und gesellschaftliche Entwicklung. Die Ereignisse im Deutschen Bundestag in der vorletzten Woche markieren einen besorgniserregenden Höhepunkt einer Entwicklung, in der Grundwerte wie Würde und Gleichberechtigung zunehmend unter Druck geraten. Insbesondere der Umgang und die gesellschaftliche Stimmung gegen die trans* Community ist besorgniserregend: Ihnen wird immer häufiger ihr Geschlecht abgesprochen und sie werden von wichtigen Schutzrechten, wie z.B. beim Gewalthilfegesetz ausgeschlossen. Darüber hinaus werden Forderungen einzelner Parteien laut, die Ehe für alle wieder abzuschaffen.

Zuletzt hat der Kanzlerkandidat der Union trans* und nicht-binären Menschen ihr Existenzrecht abgesprochen und damit ein Urteil des Bundesverfassungsgericht aus 2017 missachtet.

Mit der Kampagne „Wähl Liebe“ hakt sich die queere Community unter und stellt sich gemeinsam dagegen. Wir rufen dazu alle Wahlberechtigten auf, sich am 23.02. für Parteien zu entscheiden, die für Vielfalt, Toleranz und Gleichberechtigung eintreten. 

Dies sind die Grundpfeiler unserer liberalen Demokratie und sie müssen an der Wahlurne verteidigt werden. 

Die öffentliche Debatte erleben wir immer stärker vergiftet und verroht. Statt zunehmender Spaltung und Ausgrenzung, die oft durch bewusst geschürte Ängste befördert wird, rufen die CSDs und ihre zivilgesellschaftlichen Partner: innen zu Zusammenhalt und Miteinander auf.

Bundesweit wird dafür am 15. Februar um 5 vor 12 Uhr in mittlerweile mehr als 50 Städten demonstriert. 

Der Bundesverband CSD Deutschland e. V. rechnet mit mehr als Hunderttausend Menschen, die dem Aufruf folgen werden. In den letzten Wochen schlossen sich immer mehr Gruppen dem gemeinsamen Aktionstag an. Für uns als CSD-Bewegung ein klares Zeichen, dass die zunehmende Hetze und Ausgrenzung keine Mehrheit finden.

„Das Kennzeichen einer liberalen Demokratie ist es, wie die Mehrheit mit den Minderheiten in der Gesellschaft umgeht. Als queere Communities erleben wir seit Jahren zunehmende Anfeindungen, verbale und auch körperliche Gewalt“, so Kai Bölle und Doreen Hoffmann vom Bundesverband CSD Deutschland e.V., „dagegen wollen wir ein starkes Zeichen des Zusammenhalts und der Solidarität setzen. Denn wer heute eine Minderheit angreift, sucht sich morgen schon die nächste aus.“

Demonstriert wird bundesweit! Neben Metropolen wie Köln, Berlin, München, Stuttgart, Dresden und Hamburg, wird es auch in vielen mittleren und kleineren Städten und Landkreisen Demonstrationen und Veranstaltungen geben. Ist doch die Bedrohungslage gerade im ländlichen Raum wesentlich stärker. Auf der Kampagnenwebseite www.waehl-liebe.de sind alle Orte aufgelistet.

„Für mich als nicht binäre Person ist diese Wahl umso wichtiger, damit Rechte, wie das Selbstbestimmungsgesetz erhalten bleiben, Diskriminierung weiter abgebaut wird und eine bessere Aufklärung schon in der Schule stattfindet. Ich wünsche mir eine sichere politische Zukunft, statt die Einschränkung von Inklusion, wie sie dem Verbot einer geschlechtersensiblen Sprache.“ (Iris, Aktivist*in beim CSD Erlangen)

Bei diesen Demonstrationen rücken wir folgende drei Kernforderungen der LSBTIQ+-Community in den Mittelpunkt:

Grundgesetz für Alle

Alle bisherigen Errungenschaften sind brüchig und unsicher. Queere Menschen brauchen endlich eine auslegungsfreie Erwähnung im Grundgesetz! Der bisherige Artikel 3 GG hat die in der Vergangenheit erfolgte Verfolgung und Ungleichbehandlung queerer Menschen nicht verhindert. In Anbetracht steigender Anfeindungen fordern wir die längst überfällige Ergänzung von Artikel 3 GG um das Merkmal der „sexuellen und geschlechtlichen Identität“. Wir wissen hier viele zivilgesellschaftliche Gruppen und selbst die katholische Kirche an unserer Seite. Wir fordern nun die Politik auf, dies auch umzusetzen.

Darüber hinaus hat der Sittenbezug in Artikel 2 GG in der Vergangenheit trotz Artikel 1 und 3 die Verfolgung queerer Menschen, insbesondere die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Männer, zugelassen. Schluss mit diesem Risiko: Um dies für die Zukunft auszuschließen und weil die internationale und europäische Menschenrechtscharta sehr klar die Gleichberechtigung aller Menschen verlangt, fordern wir die Streichung dieses Bezuges. Er ermöglicht eine willkürliche Auslegung von Gesetzen.

Schutz queerer Räume

Queere Menschen sind im Alltag zahlreichen Anfeindungen und Diskriminierungen ausgesetzt – und diese nehmen aktuell wieder zu. Gewalttaten steigen und selbst Anschläge auf uns und unsere Einrichtungen müssen wieder verzeichnet werden.

Queere Menschen finden in allen Altersstufen vor allem in unseren eigenen und oft ehrenamtlich organisierten Community- und Beratungsstrukturen Hilfe und erste Anlaufpunkte. Die Finanzierung dieser Angebote war schon bisher prekär. Doch die Lage verschärft sich zunehmend. Der Sparzwang und Kostendruck nehmen zu, doch darf dies nicht auf dem Rücken der queeren Community ausgetragen werden. Wir fordern von der zukünftigen Bundesregierung, unsere Strukturen abzusichern und dieses bürgerschaftliche Engagement zu unterstützen. Die Schuldenbremse darf nicht dazu führen, dass marginalisierte Menschen und queere Infrastruktur gefährdet werden!

Hasskriminalität und Hatespeech wirksam bekämpfen

Queere Menschen müssen bei jeder Umarmung in der Öffentlichkeit oder bei jedem Kuss erstmal die Umgebung checken. Straftaten gegen queere Menschen nehmen zu und der Ton wird deutlich rauer. Fast täglich spüren queere Menschen Hass und Hetze im Internet oder werden auf offener Straße Opfer körperlicher oder psychischer Gewalt. Schluss damit! 

Die zukünftige Bundesregierung muss alle queeren Menschen schützen und Strategien zur Bekämpfung von Hasskriminalität unter Beteiligung der Community verbessern. Der Aktionsplan “Queer leben” muss zusammen mit der Community weiterentwickelt und die Maßnahmen ausreichend finanziert werden. Darüber hinaus erwarten wir von der künftigen Bundesregierung, dass sie Hass gegen die queere Community und die Verbreitung von Fake News über Teile unserer Community stärker in den Blick nehmen und dagegen vorgehen.