Der CSU wurde vom CSD München die Anmeldung ihres Wagens an der Politparade verweigert, der Berliner CSD denkt laut darüber nach, dem regierenden CDU-Bürgermeister Kai Wegener die Eröffnungsrede zu verweigern, in Hamburg war die CDU im letzten Jahr ein unwillkommener Gast. In Hessen formiert sich ein Bündnis für Vielfalt und eindeutig im Widerstand gegen die „Männer zuerst“ – Politik der neuen Landesregierung.
Im Gegensatz zur Union aus CDU/CSU handeln die CSD-organisierenden Gruppen hier durchaus gradlinig und konsequent. Denn wer mal hü sagt und dann hott macht, hat auf der Demonstration für die Gleichberechtigung queerer Menschen nichts verloren.
Blicken wir zuerst nach Bayern. Markus Söder hat den Kampf gegen eine gendersensible Sprache für sich entdeckt. Dabei liegt er einerseits grundfalsch. Denn er ist keineswegs gegen Gendern. Der bayrische Ministerpräsident ist für eine männlich geprägte Sprache. So einfach ist das. Er ist dagegen, dass Frauen und nicht-binäre Menschen mitgesprochen werden. Das sie damit auch beim Denken eher aussen vor bleiben, was kümmert es ihn?
Die Lohn- und Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen liegt in Bayern weiterhin bei 21% (DGB, 05.03.2024). Da kann das bayrische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales auf der eigenen Homepage noch so vom „Aufbrechen von Rollenbildern“ schwafeln.
Da mag die CSU in ihrem Grundsatzprogramm (https://www.csu.de/common/download/CSU_Grundsatzprogramm_2023.pdf) noch so vom Wettstreit der Meinungen und Ideen reden. Die Realität sieht anders aus. Die angebliche bayrische Freiheit versteht sich als Gegenentwurf zu Wokeness. Liebe CSU, vielleicht ist es einfach schwer in Bayern ein Wörterbuch zu finden. Doch Woke (englisch) steht eben gerade für das: Freiheit des Individuums mit einer Aufmerksamkeit und Feinfühligkeit gegenüber Minderheiten. Was wäre Freiheit, wenn sie doch nur die Diktatur einer definierten „Mehrheit“ ist?
Blicken wir nach Berlin. Es war der CSD 2023, der neue regierende Bürgermeister von Berlin Kai Wegener hält eine Eröffnungsrede zum Start der Demonstration. Dort sagt er „Meine feste Zusage für diesen Berliner Senat ist: Wir wollen den Artikel 3 des Grundgesetzes ändern. Da muss die sexuelle Identität mit rein. Das ist mein Versprechen.“
Nun ist ein Jahr ins Land gegangen und der Berliner CSD e.V. erinnert Wegener an sein Versprechen. Ein Jahr ist ergebnis- und tatenlos vergangen. Ein Jahr, in dem queerfeindliche Gewalttaten um 50% zugenommen haben. Auch dazu hatte Wegener ein Versprechen abgegeben: Kampf gegen Homophobie und Queerfeindlichkeit und die Schaffung eines sicheren Hafens Berlin. Warum also sollte der regierende Bürgermeister erneut eine Plattform für scheinbare Plattitüden bekommen?
Blicken wir nach Hamburg. Dort wurde der CDU letztes Jahr mitgeteilt, dass sie beim Hamburg Pride unwillkommen sei. Die CDU in der Hansestadt hatte sich vorher gegen das Selbstbestimmungsgesetz positioniert und unterstützte einen Verein, der eine Kampagne gegen genderinklusive Sprache führt.
Blicken wir nach Hessen. Auf dort findet die CDU, dass es sich mit der Würde des Menschen und der hochgehaltenen Flamme der Freiheit gut verträgt, Sprache nun gesetzlich zu reglementieren. Eine inklusive Sprache wurde verboten. Begründet wird dies durch Ministerpräsident Rhein allen Ernstes auch noch mit „Bürgernähe“ der Verwaltung.
Und dann ist da noch der Vorsitzende der CDU, Friedrich Merz. Von ihm haben wir gehört, dass es keinen Grund gebe, den Artikel 3 GG zu ändern. Es wäre doch alles ok. Nicht nur die gerade veröffentlichen neuen Zahlen zu queerfeindlicher Gewalt strafen diese Sichtweise Lügen. Ähnlich wie Jens Spahn, der als ehemaliges Mitglied des CDU-Bundesvorstandes in einem Interview bei NIUS die Trennung von „queeren und normalen Menschen“ unwidersprochen lässt.
Werfen wir doch an dieser Stelle einen Blick in das Grundsatzprogramm der CDU, das gerade frisch und neu daher kommt.
(https://www.grundsatzprogramm-cdu.de/)
Dort steht ganz vorne:
„Wir wählen die Freiheit! Unser freiheitlicher Rechtsstaat schützt das Recht des Einzelnen auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit.“
Weiter hinten heisst es:
„Wir wollen die Menschen nicht bevormunden, sondern ihre freie Entfaltung ermöglichen.“
Genau dafür gehen wir auch auf die Straße! Genau darum kämpfen wir.
Liebe Union: entscheidet Euch!
Hehre Worte einerseits und eure widersprechenden Taten andererseits.
Gerade unsere Existenz fordert viele von euch offenbar immer noch in weiten Teilen heraus. Gerade wir stellen ein binäres Geschlechtersystem infrage. Gerade wir zeigen, dass Familie auch ganz anders definiert werden kann, als dies die christlichen Kirchen vor 2000 Jahren in Stein gemeisselt haben.
Doch wer sich einerseits in der täglichen Arbeit gegen uns richtet. Wer Mitgliedern der Community ihr Selbst abspricht und ihnen die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit verbietet. Wer sich also den zentralen Forderungen und Werten unserer Demonstrationen und Kundgebungen entgegenstellt, der hat dort eben auch nichts verloren.
Übrigens ist das keinesfalls eine Diskriminierung. Sondern schlicht das in Verantwortung nehmen für eure Taten, dort, wo ihr es tut. Es gibt bei euch auch viele Ortsverbände in der CDU, die sind längst weiter.
Die verstehen, dass konservativ und queer sein gut vereinbar ist. Die wissen, dass Familie ein konservativer Wert ist, den auch viele LGBTIQ+ hochhalten. So gibt es bei euch ja auch die Lesben und Schwulen in der Union (LSU), die ihr nach fast 3 Jahrzehnten endlich als Parteiorganisation anerkannt habt.
Jedes Handeln und jedes Lassen hat nun mal Konsequenzen. München, Berlin, Hamburg und die CSDs in Hessen haben sich euer konkretes Handeln angeguckt und daraufhin Entscheidungen getroffen. Diese Entscheidungen liegen genau dort richtig: in der Hand der Handelnden vor Ort.
Genauso liegt es an euch, euer konkretes Handeln einfach mit eurem eigenen Grundsatzprogramm in Einklang zu bringen. Demokratisch sollte es auch sein, dies innerhalb der Partei klar zu benennen, wo ihr Abweichungen feststellt.
Vor allem könntet ihr damit zeigen, dass mensch konservativ sein kann, ohne rechtsextrem zu sein.
Happy Pride
Hier und da halt ohne Union