Im Grußwort des CSD Deutschland e.V. zur CSD-Saison 2018 stellen wir (uns) die Frage: „Quo Vadis CSD? Brauchen wir den CSD noch?“.
Die einzige Antwort, die wir euch mitteilen können: „SELBSTVERSTÄNDLICH!“

Nachdem 2017 sowohl die Ehe für Alle und die Rehabilitierung der nach §175 Verurteilten beschlossen wurden, ist bei vielen Menschen der Eindruck entstanden, nun sei eigentlich alles geschafft und erledigt. Auch von Journalist*innen wurde bereits bei CSDs in der zweiten Jahreshälfte 2017 die Frage gestellt, ob diese denn jetzt überhaupt noch notwendig seien.

Natürlich sind sie das. Wir alle, die für das Verschwinden von Diskriminierung und Vorurteilen und für Toleranz und Akzeptanz auf die Straße gehen, wissen das, aus eigener Erfahrung. Aber diese Notwendigkeit erklärt sich nun weniger leicht, nachdem mit der Ehe-Frage das prominenteste Gleichstellungsthema abgeräumt wurde. Wir haben eine lange Liste von offenen Forderungen und Aufgabenstellungen an die Politik!

Die Ergänzung des Artikel 3 des Grundgesetzes um das Merkmal der sexuellen Orientierung und Identität, die überfällige Reform des Transsexuellengesetzes, die Schaffung eines bundesweiten Aktionsplans gegen Homo- und Transphobie und Schutz, Stärkung und Förderung von Regenbogenfamilien sind nur einige wenige davon. Auch die Integration und der Schutz queerer Geflüchteter ist uns ein Auftrag und Anliegen.

Jeder CSD in Deutschland muss auch Plattform für all Diejenigen sein, die in Ihrer Heimat verfolgt werden und vor Ort nicht gefahrlos für ihre Rechte demonstrieren dürfen. Durch die „Ehe-Öffnung“ hat auch die Politik unsere Themen offensichtlich aus den Augen verloren. So kommen wir im Koalitionsvertrag nur am Rande und mit unkonkreten Allgemeinplätzen vor. Dies stärkt in fataler Weise den gesellschaftlichen Rollback, also das Zurückdrehen von bereits erreicht geglaubten Verbesserungen und Akzeptanzen und das Wiedererstarken von LSBTIQ*-Phobien durch den politischen Rechtsruck in unserem Land. Dieser gefährlichen Entwicklung müssen wir uns geschlossen, laut und sichtbar entgegenstellen. Bei jedem der über 60 CSDs in Deutschland.

Wir sind keine Wohlfühlveranstaltung, bei der sich wohlmeinende Politiker*innen im Glanz unserer Buntheit sonnen können, um ihre eigene Toleranz und Weltläufigkeit zu demonstrieren. Wir haben auch weiterhin wichtige Anliegen, die wir bei aller Freundschaft gegenüber den uns unterstützenden Repräsentant*innen unbequem artikulieren müssen. Wer sich in eine CSD-Demo einreiht oder auf unseren Bühnen ein Grußwort spricht, soll immer damit rechnen müssen, mit politischen Defiziten in Stadt, Land oder Bund sehr deutlich konfrontiert zu werden.

Neben der Überzeugungsarbeit bei den politischen Verantwortungsträgern, gilt es aber auch verstärkt Bündnisse mit anderen gesellschaftlichen Minderheiten einzugehen und diese in die CSD Demonstrationen einzubinden. Gleichzeitig muss es uns gelingen unsere Anliegen so zu erklären, dass sich die Menschen innerhalb und außerhalb der Community mitgenommen fühlen. Denn der CSD ist Plattform für alle. Für alle Geschlechter, für jedes Alter, jede Hautfarbe und jede Religion und für jede Community.

FEIERT DAS ERREICHTE UND KÄMPFT FÜR DEN ERHALT UND FÜR MEHR!
Euer CSD Deutschland e.V.


Gerne stellen wir unser Grußwort allen CSD organisierenden Vereinen und Verbänden, aber auch allen anderen Institutionen, die sich für die Gleichstellung von LSBTIQ* einsetzen, zur Verfügung.