Pressemitteilung – Stellungnahme
In die Reihe der Gründe, warum CSDs wichtig sind, reiht sich in diesem Jahr ein weiterer ein: der Umgang einiger Teile der Gesellschaft, jedoch vor allem der Medien und Behörden mit den Affenpocken.
Es sind abstruse Vorurteile und Annahmen, mit denen wir als LGBTIQ* und vor allem die organisierenden Gruppen von CSDs da konfrontiert werden. Die Forderungen gehen dabei von Aufrufen zu erhöhter Wachsamkeit bis hin zur Absage der CSDs.
Tun wir einmal so, als wären die Affenpocken auch nur annähernd vergleichbar mit Corona, dann scheint es an diesem Fachpublikum vorbeigegangen zu sein, dass der oberste Gerichtshof dieses Landes festgestellt hat, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit – sprich Demonstrationen und Kundgebungen – davon unberührt bleibt.
Doch der Umgang mit den Affenpocken zeigt vor allem eines: ansteckende Vorurteile und eine fatale Projektion auf HIV und andere Geschlechtskrankheiten. Immer sind es vor allem LGBTIQ* und dort noch genauer schwule Männer, welche die Treiber und einzig Betroffenen zu sein scheinen. Dazu die offenbar bei vielen unausweichliche Assoziationskette von CSD = schwule Männer = massenhaft Sex überall.
Entschuldigen Sie bitte, doch hier passt das Zitat von El Hotzo auf Twitter: „Wenn du die Sendung mit der Maus schaust und dabei ununterbrochen an Sex denkst, ist das evtl. weniger ein Problem der Sendung, als viel mehr deins, aber ok, schreibt ruhig eure Kolumnen.“
Wer also bei CSDs zuerst und ständig an Sex denkt, könnte dies auch als Anregung nutzen, darüber nachzudenken, warum das so ist. Wie gesagt: Entschuldigen Sie bitte die Polemik.
Auch, wenn Sie jetzt einwenden, dass es doch vor allem oder ausschließlich schwule Männer sind, die infiziert sind, dann sagt das nichts darüber aus, wer sich wie ansteckt. Dass es bei schwulen Männern offenbar öfter und schnell entdeckt wird, wirft primär eine Frage auf: wie intensiv beschäftigen sich heterosexuelle Männer mit ihrer Gesundheit und wie regelmäßig gehen sie zum Arzt? Hier verweisen wir gerne auf die zunehmenden Beiträge und Appelle zum Thema Männergesundheit.
Da es vielen Mitarbeitenden in Behörden und den Medien offenbar immer noch nicht klar ist: die Menschenmenge, die dort laut, anders, skandieren, feiernd, ausgelassen, ruhig, sichtbar und eben vielfältig durch die Straßen zieht, ist eine Demonstration! Es handelt sich um politische Veranstaltungen, mit dem Ziel, der Gesellschaft zu zeigen, wer wir sind, den immer noch versteckt lebenden LGBTIQ* zu zeigen, dass diese sich trauen können und der Politik zu zeigen, dass wir viele sind und das gegen unsere Diskriminierung noch viel zu tun ist.
Affenpocken sind in keiner Weise damit verbunden, dass jemand eine nichtheteronormative Identität hat. Es ist offenbar eine Krankheit, die vor allem beim engen Körperkontakt, der eben oft mit Sex einhergeht, leicht übertragbar ist. Also sind doch hier alle Orte und Menschen zu sensibilisieren, wo dies der Fall ist. Lediglich, wenn heteronormative Menschen keinen Körperkontakt und Sex mehr haben, dann sind diese auszusparen. Sollte jedoch bei heterosexuellem Sex ebenfalls enger Körperkontakt die Regel sein, dann oh Schreck, sind alle Menschen betroffen.
Zumindest alle, die ein Sexleben haben. Doch es reicht eben enger Körperkontakt. Das kann im Sommer, mit leichter Kleidung auch auf den unzähligen Festivals im Gedränge der Massen geschehen. Liebe Behörden und Medien, schon mal da nachgeschaut? Nein, dann macht es bitte auch.
Ansteckungen zeigen nur eines: das alte Muster in den Köpfen noch stark verankert sind. Wer einseitig eine kleine Gruppe der Gesellschaft verantwortlich macht und an den Pranger stellt, schafft außerdem den perfekten Nährboden für Krankheiten. Nämlich Sorglosigkeit bei all den anderen und zwar dem weitaus größeren Teil der Gesellschaft. Denn mit AIDS / HIV stecken sich auch reichlich Heterosexuelle weltweit an.
Wir legen daher Behörden – übrigens auch Gesundheitsbehörden – und Journalist*innen nahe, eine längst vergessene Tugend wieder zu entdecken: Recherche!
Informieren Sie sich bei der Deutschen Aidshilfe, die das Thema notgedrungen aufgegriffen hat, informieren Sie sich auch beim RKI und bei Fachmediziner*innen. Doch verschonen sie uns vor dem Zündeln an einer neuen Art von Vorurteilen, die an Hexenverfolgung erinnert.
Danke.
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